Dorfleben (13)

Ich erinnere mich an alle Brombeergestrüppe, in denen ich mir rote Striemen und schwarze Brombeeren geholt habe. 

An der Rückseite von Uromas Garage und Bauers Plumpsklo mit Blick auf ihren Rübenacker war das schönste. Der Bauer war mein Uropa und hatte auch einen richtigen Namen. Der wurde nur nie verwendet, es hieß: Wir fahren zu Uroma und Bauer. Nicht etwa „dem Bauern“, sondern „Bauer“, weil das seinen Namen vollständig ersetzt hatte, und dass, obwohl er eigentlich mal Böttcher gelernt hat. Ihr schönstes aller Brombeergesträuche kam mir abhanden, als das Haus verkauft wurde. Samt Plumpsklo, Garage und Kreuzspinnen. Ich bin kein einziges Mal nachsehen gegangen, ob es noch da ist – es würde mir so oder so das Herz brechen.

Das zweitschönste Brombeergestrüpp wucherte am Rand eines Zeltplatzes am Oderhaff. Jeden zweiten Sommer waren wir dort. Hier wurde mir mal am Strand das Handtuch geklaut. Wir wohnten in einem ehemaligen Bauwagen, der einen sehr komfortablen Wohnwagen abgab, wenn man sich ein bisschen anstrengte. Ich schlief im Doppelstockbett oben und aß so viele Brombeeren wie ich konnte, bevor ich den anderen welche mitbrachte. Weil sehr viele Kinder auf dem Zeltplatz waren, die auch alle Brombeeren pflücken wollten, erwarb ich eine gewisse Furchtlosigkeit vor Dornen. Ich ging dahin, wo es weh tat. Den Zeltplatz habe ich nach der Wende nie wieder gesehen. Überhaupt habe ich Zeltplätze später gemieden.

Es gab und gibt noch immer ein hervorragendes Brombeergestrüpp an unserem Badesee zuhause. Ich habe ganze Sommer an diesem See verbracht, und nicht nur die Tage. Mein Handtuch lag immer in der Nähe der Brombeeren und wurde dort nie geklaut. Ich hatte dieses Brombeergestrüpp ein bisschen aus den Augen verloren, aber dieses Jahr hat es mir Fäden in die Jeans gezogen. Es gehört zu denen, die sich immer weiter ausgebreitet haben. Ich habe dort fast keine Erntekonkurrenten mehr. Die Hälfte meiner diesjährigen Brombeermarmeladen stammt von dort – gekocht auf dem Campingkocher meiner Mutter in ihrem Bungalow. 

Andere Brombeerhecken fallen mir ein, die ich aber viel weniger als meine betrachtet habe. Teilen musste ich die auf unserem Hof, vom anderen Uropa gepflanzt. Ich teile ungern Essen. Eine weitere lag auf dem Weg zu meiner Schulfreundin, ich bin meist nur daran vorbei gefahren.

Aber in den letzten Jahren habe ich wieder zwei wunderbare Brombeerstellen entdeckt, und auch noch beide im selben Dorf! Ich muss jetzt wahrscheinlich hier zu wohnen kommen, damit sie mir nicht wieder verloren gehen.

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