Schlagwort-Archive: Gute Nacht!

Gute Nacht, @klappstulli! (5)

Die Holzbank unter der Birke. Der Lüfter summt, der Kaffee dampft. Ich denke nach und tippe was. Manchmal auch umgekehrt, aber das lösche ich dann gleich wieder. Oskar setzt sich dazu. Oskar sagt erstmal nichts. Er kuckt nur und wartet, den Kopf schräg, die Augen rund. Er wippt ein bißchen. Oskar hat immer Hunger. Großen Hunger. Als hätte er etwas nachzuholen. Großfamilie, und um jeden Krümel musste man sich balgen. Oskar ist der heruntergekommenste Spatz von ganz Berlin. Mager, zerpflückt und mit einer kahlen Stelle am Hals. Ich habe ihn halbe Brötchen wegschleppen sehen, er hat kein Gramm zugenommen. Ich überlege, ob ich ihm eine Stulle schmieren soll. Soviel Zeit hat Oskar nicht. Er haut ab, verspricht aber, später wiederzukommen.

Ich tippe weiter. Schreiben, lesen, denken, löschen, von vorne anfangen. Eine flinke Bewegung, die ich nur aus dem Augenwinkel wahrnehme. Ein Hauch orange auf der Bank mir gegenüber. „Hey, Atze!“ sage ich zu Atze. Atze sieht dermaßen überrascht aus, dass ich wünschte, ich hätte nichts gesagt. Ihm fallen alle seine Hölzchen und Stöckchen runter. Verdammt! Den Eichkater erschreckt. Er sammelt sich und seinen Kram wieder ein, springt beherzt in ein Beet voll Frauenmantel und rennt die Birke hoch.

Als der Igel hinter mir anfängt zu niesen, beschließe ich zu gehen. Großraumbüros. Ich kann so nicht arbeiten.

Gute Nacht, @klappstulli! (4)

Kurz nach dem Mittag, wenn sich die Hitze auf jede Bewegung legt. Alles steht still, sogar die Luft. Meine Stirn glänzt sommersalzig, die Hände kleben. Ich taumle erschöpft in ein kleines Ladengeschäft. Vorder- und Hintertür sind geöffnet, ich kann von der Straße bis in den Hof sehen. Ein Lufthauch, der eine Haarsträhne löst. „Mango“, sage ich, „und Erdbeere, bitte!“ Fein säuerlich und so kalt, dass die Zähne weh tun. Ich will reinbeißen. Mach ich auch. Die Waffel kracht, das Eis zerfließt auf meiner Zunge.

Jetzt knutschen, denke ich, auf den Lippen noch den Geschmack von Mango. Jetzt knutschen, und es wär´ perfekt.

Gute Nacht, @klappstulli! (3)

Abenddämmerung. Eine Amsel im Flieder. Bevor ich rein gehe, schneide ich eine Handvoll Kräuter ab. Borretsch und Pimpinelle, die beide nach Gurke riechen. Kerbel, ein feiner Anis-Duft. Pfefferminze, der man nicht zu nahe kommen darf, weil die in der Nase kitzelt. Zitronenmelisse, frisch und sauber, mit einem Hauch Seife. Sauerampfer, beeindruckend geruchlos. Am Schluss ein paar Stiele Dill. Mein Lieblingsmädchen hockt neben mir am Boden und sieht zu. „Was ist das?“, will sie wissen. „Dill“, sage ich. „Dill“, wiederholt sie bedächtig, „Dill riecht nach lecker.“

Gute Nacht, @klappstulli! (2)

Das Wasser sprudelt krachend in die Kannen, tropft dabei auf meine nackten Füße. Ich hebe beide Gießkannen gleichzeitig an, die Schultern gespannt, der Rücken gerade. Die Erde vor mir ist staubtrocken und hart. Da soll was wachsen. Ich will, dass da was wächst. Rote Bete, grüne Bohnen. Das Wasser sickert in den Boden, satt und dunkel. An ein paar Stellen bleiben kleine Pfützen stehen. Ein feiner Sprühregen auf den silbergrünen Blättern der Erbsen. Ruccola in sattem Dunkelgrün. Das zarte Gefieder des Dills zittert. Tropfen prallen auf die ledrige Haut der Rhabarberblätter. Leuchtend rot die Erdbeeren, noch nicht ganz reif. Morgen. Morgen ist auch noch ein Tag.

Gute Nacht, @klappstulli! (1)

Mordssonnenuntergang. Kein Bild. Grau, blau, orange und lila. Für jeden was dabei. Zweifach Glas. Fensterkreuz. Ein Flieger stößt zwischen den Wolken durch. Schweres Bleigrau steht gegen lichtes Blau. Immer noch nicht dunkel. Die Umrisse von Antennen auf dem Dach gegenüber. Hinter mir macht meine Wohnung Geräusche. Der Backofen summt. Ein Kind schnieft. Gelegentlich fährt ein Auto die holprige Straße entlang. Es riecht, wie ein Zuhause riechen soll: Nach frisch gebackenem Brot. Auf dem Tischchen neben mir liegt mein Strohhut. Schlafenszeit!

Das habe ich gestern auf Twitter geschrieben. Die @klappstulli hat sich Gute-Nacht-Geschichten gewünscht. Für Große. Für alle Tage. Ob ich jeden Tag eine schaffe, weiß ich nicht. Aber die Idee mag ich: Einen winzigen Moment des Tages genau ansehen, ausschneiden, aufkleben.