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Constanze Guhr: Mein wunderbares Gartenbuch

Es ist eigentlich ein Winterbuch, das Constanze Guhr da geschrieben und überreichlich mit Collagen, Zeichnungen, Bastelbögen und Fotos ausgestattet hat. Der Winter ist die Zeit des Pläneschmiedens. Der Garten erholt sich von uns, wir erholen uns von ihm. Aber nicht lange können wir so untätig sitzen. Also überlegen wir, planen, wälzen Kataloge, bestellen dies und das. Wir lesen Gartenbücher als Zeichen unserer Vorfreude und unseres guten Willens, im nächsten Jahr alles besser zu machen. Das ist der Moment, für den „Mein wunderbares Gartenbuch“ gemacht wurde.

Es regt an, einfach mal etwas zu probieren – etwa, einen eleganten Komposthaufen zu bauen. Oder auch hinzunehmen, was man nicht ändern kann. Den Maulwurf. Es ist, obwohl das drauf steht, kein Ratgeber im herkömmlichen Sinne. Constanze Guhr erklärt nicht, wie man Obstbäume schneidet. Sie schubst uns nur auf den richtigen Weg: Lern das mal, denn Du möchtest das wissen! Es gibt Kurse dafür, es gibt Baumschulen. „Mein wunderbares Gartenbuch“ zeigt, welche Betätigungsfelder ein Garten eröffnet. Beim Rasenmähen singen wäre mir vermutlich nicht eingefallen. Oder einen Abendsitzplatz zu gestalten. Ich weiß, seitdem ich das las, dass ich gerne einen hätte. Es sind Rezepte dabei, Bastelkram, Spiele, Bauanleitungen, Gartenwissen – alles zusammen eine Anstiftung, die Stunden draußen zu genießen.

Das Buch orientiert sich deshalb auch nicht an den Jahreszeiten, sondern an Themen und Tätigkeiten. „Anfangen im Garten“ hilft nicht nur Neugärtnern, es fasst die Fragen zusammen, die sich in jedem Frühjahr stellen. Ein Blumenkapitel ist enthalten, eines über Gemüse, Kräuter, Obst, Gartentiere. Aber eben auch eines über Kinder im Garten, draußen essen und schöner leben.

Das Blog zum Buch war eine zeitlang sehr still, wird aber offenbar weitergeführt. Der Besuch lohnt sich. Das Buch auch.

Constanze Guhr: Mein wunderbares Gartenbuch
100 Ideen für mehr Gartengenuss
Gerstenberg 2011
19,95 EUR

Véronique Witzigmann: Das Marmeladenbuch

Ich besitze nur wenige Rezeptbücher, denn der sinnlichen Erfahrung Essen werden sie mehrheitlich nicht gerecht. Sie sind entweder nicht appetitlich gestaltet, zu kompliziert in der Durchführung oder ich habe die Zutaten gerade nicht zur Hand. Ich verarbeite, was in meinem Garten so anfällt, oder in den Gärten anderer Leute. Wozu mir nichts einfällt, das kommt in den Rumtopf. Wofür ich zu faul bin, das kommt auch in den Rumtopf. Die Erntezeit ist fast vorbei, mein Rumtopf ist groß und schwer, es passt auch langsam nichts mehr rein.

Die Äpfel, die jetzt reif werden, die Birnen, Quitten, Pfirsiche – soviel Rumtopf schafft kein Mensch. Das Marmeladenbuch von Véronique Witzigmann kam mir da gerade recht. Ein hübsches, schmales Buch im klassischen Insel-Bücherei-Stil. Ich nehme es mit in den Garten, setze mich auf die Bank und schlage Seite 80 auf: Der Apfel. Mit Tomate und Thymian, zum Beispiel. Erfreulicher Weise wächst beides neben meinem Apfelbaum. Genau jetzt.

Den Rezepten vorangestellt ist ein allgemeines Kapitel, in dem die wichtigsten Grundsätze des Einkochens erklärt werden. Wie man Einweckgläser sterilisiert, wie Gelierzucker funktioniert, welcher Fruchtaufstrich wie lange haltbar ist und was eigentlich Pektin ist. Am Ende des Buches hilft ein Register, dem vorhandenen Obst ein passendes Rezept zu finden.

Für ungefähr jedes Obst meines Garten gibt es mal schlichte, mal aufregende Marmeladenvarianten. Erdbeeren mit rosa Pfeffer – oder wie gewohnt mit Rhabarber. In der gartenobstlosen Zeit kann sich, wer möchte, an den Exoten versuchen: Mangos, Lychees, Bananen, Ananas oder Passionsfrüchte. Alle Rezepte sind übersichtlich dargestellt und verständlich beschrieben. Marmeladekochen mit Véronique Witzigmann ist ein bißchen mehr als Obst kleinschneiden, mit Gelierzucker auffüllen und 3 Minuten kochen – aber auch nicht so schwierig, dass mich schon beim Lesen der Mut verlässt. Alles klingt machbar, und ich möchte mir dauernd Marmeladenstullen machen.

Daran hat die Illustratorin Kat Menschik einen nicht geringen Anteil, die auch den Umschlag gestaltet hat. Das Obst auf ihren Zeichnungen sieht so saftig aus, die Gewürze duften so verführerisch, dass man riechen und schmecken kann, was für eine Marmelade das gibt.

Für Himbeeren mit weißem Pfirsich ist es in diesem Jahr schon zu spät, auch Schwarzkirschen mit frischer Minze müssen wohl bis zum nächsten Sommer warten. Aber Apfel mit Walnuss schaffe ich sicher noch. Ich freue mich sehr darauf!

Véronique Witzigmann: Das Marmeladenbuch
Insel Verlag Berlin 2014
16,00 €

Kat Menschik: Der goldene Grubber

Ein Vergnügen so alt wie das Märchen vom Rapunzel ist es, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen. Kat Menschik hat es wiederentdeckt.

Beurteile ein Buch nicht nach dem Einband, heißt es. Das war, bevor es „Der goldene Grubber“ von Kat Menschik gab. Ihr Buch fühlt sich vertraut an wie die Märchenbücher aus dem urgroßelterlichen Bücherschrank. Die liebten wir für ihre kunstreichen Illustrationen, ihre Goldschnitte, ihre Schnörkel. Alles, was daran verliebenswert war, hat Kat Menschik einfach mitgenommen. Die Buchdeckel sind goldgeprägt auf grünem Grund, das Vorsatzpapier illustriert, selbst der Schmutztitel bebildert, das Lesebändchen golden. Mit einem Wort: Es ist prachtvoll. Auf altmodische Art prachtvoll – genau wie ein Garten. Beurteilt dieses Buch also unbedingt nach seinem Einband!

Drinnen im Buch ist es dann noch einmal wie bei Rapunzel. Wir meinen es zu kennen, haben aber völlig vergessen, dass Rapunzel nicht nur die mit dem Zopf ist, sondern auch ein anderes Wort für Feldsalat. Frisch und modern sind Bilder und Texte in „Der goldene Grubber“. Gar nicht märchenhaft, sondern sehr erdverbunden. Kat Menschik erzählt „Von großen Momenten und kleinen Niederlagen im Gartenjahr“. Sie ist eine genaue Beobachterin, die mit viel Wärme in der Stimme schreibt. Mit leichter Hand führt sie durch ihre Beete, durch ihre Zeit. Sie fördert Schätze zutage, die womöglich nur kennt, wer selbst einmal ein Stück Boden umgegraben hat. Alle anderen wollen danach ein solches Stück Boden haben, das sie bearbeiten können. Kichernd, glücklich und etwas außer Atem stürzen wir lesend von einer Geschichte zur nächsten. Es ist ein sehr sinnliches Lesevergnügen.

„Der goldene Grubber“ ist vollständig durchillustriert. Die Zeichnungen sind klar und elegant. Schrift und Bildelemente verschmelzen miteinander. Jede einzelne Seite kann ich mir gerahmt über meinem Schreibtisch vorstellen, weil sie die Qualität, Kraft und Wirkung eines Plakats hat.

Am Ende kann man sich streiten, ob „Der goldene Grubber“ zu den Graphic Novels gehört, zwischen die Comics, neben die Gartenratgeber oder auf den Geschenketisch. Man kann den Streit aber auch einfach begraben und ein paar Vergissmeinnicht drauf pflanzen. Es ist ein Stück Buchkunst und Beweis dafür, dass Gestaltung dem Inhalt nicht schadet. Es sollte mehr solcher Bücher geben. Oder eigentlich überhaupt keine anderen.

Kat Menschik: Der goldene Grubber
Verlag Galiani, Berlin 2014
304 Seiten
Euro 34,99 (D)
ISBN 978-3-86971-083-9

Rezension: Berlin gärtnert

Als bester Garten-Reiseführer 2013 wurde das handliche Buch „Berlin gärtnert“ ausgezeichnet. Es ist überraschender Weise genau das: Ein Reiseführer durch einen großen Garten namens Berlin. Großstadtgrün als exotische lebende Wand, in Baumscheiben am Straßenrand, als Hausgarten im Innenhof, traditionell im Kleingarten am Bahngleis oder seit neuerem in Gemeinschaftsgärten – davon haben die meisten Berliner zumindest schon einmal gehört. Aber Weinanbau? Berliner Riesling? Streuobstwiesen zwischen Plattenbauten? Ich bewege mich aufmerksamer durch die Stadt, seitdem ich weiß, dass das alles da ist.

„Berlin gärtnert“ untersucht die Möglichkeiten zum Pflanzen in fünf unterschiedlichen räumlichen und rechtlichen Situationen. Da wäre zunächst die Gartenfreundin ohne Garten. Ihr bleiben der Balkon, das grüne Dach, der Hinterhof, der Vorgarten. Aber auch die Fassade könnte sie begrünen. Wilder Wein, Efeu, Blauregen oder Geißblatt sind gute Fassadenkletterer. Der Großstadtgärtner auf eigenem Grund hat meist ein Stück Land gepachtet, besitzt einen Hausgarten oder wohnt in einer Gartenstadtanlage. Das Stadtbild ist allerdings viel stärker durch alle diejenigen geprägt, die im öffentlichen Raum pflanzen und säen – manchmal am Rande der Legalität, manchmal gemeinnützig. Ein eigener Abschnitt ist dem gemeinsamen Gärtnern auf Stadtbrachen gewidmet. Wie groß so ein Garten wohl werden kann, wird im letzten Abschnitt überlegt. Eine Farm in der Stadt, ist das vorstellbar? Na klar! Wer bis hierhin gelesen hat, kann sich fast alles vorstellen.

Ganz nebenbei verschenkt „Berlin gärtnert“ unzählige nützliche Ideen, Hinweise und Fachwissen, nennt Links und Ansprechpartner und trägt zusammen, was benötigt wird, um sofort mit der Begrünung der Stadt anzufangen. Oder weiterzumachen. Oder herauszufinden, was das ist, das da wächst. Auch darauf ist Berlin vorbereitet. Die Bücherei des Deutschen Gartenbaues e.V. beispielsweise wird von der Technischen Universität verwaltet und ist öffentlich zugänglich. In ihrem Bestand befinden sich einige der schönsten illustrierten Bücher über Obstbäume, die mir je begegnet sind. Es ist ein Schatzkästchen von Buch, das die Herausgeberin Jana Kotte da zusammen getragen hat. Für Entdecker.

Berlin gärtnert – Kübel, Beet und Samenbombe
Jana Kotte (Hrsg.)
Edition Terra 2012
14,80 €

Berliner Pflanzen

Berliner Pflanzen – Das wilde Grün der Großstadt“ heißt ein handtaschenhandliches Buch, das mir Regine im Frühjahr geschenkt hat. Seitdem ich es habe, sehe ich überall Pflanzen, die schon immer da waren, mir aber nie aufgefallen sind. Rucola zum Beispiel, auch als Rauke oder schmalblättriger Doppelsame bekannt. Berlin ist voll mit Rucola! War euch das klar? Mir nicht.

Atak: Der Garten

Es gibt Bücher, die erst funktionieren, wenn man sie gedruckt in Händen hält. Zu denen gehören unbedingt alle, die der Berliner Künstler Atak illustriert hat.

Unsterblich geworden ist er für mich spätestens 2002 mit „Atak vs. Ahne„. Ein wildes Spiel aus Typografie, Ornamenten, Zeichnung, Collage und Malerei, zusammengehalten durch die absurd-komischen Texte von Ahne und das längliche Format von Comic-Strips in Tageszeitungen. Dreht man „Atak vs. Ahne“ falsch herum und blättert durch die Rückseiten, fällt man peng! unvermittelt in ein tintenblaues Paralleluniversum mit Rehen, Superhelden und einem Boxkampf. Ein Buch wie eine Punkrockband. Allerdings eine, die ihre Instrumente beherrscht. Seither freue ich mich jedes Mal, wenn ich den Arbeiten von Atak begegne. Ich erkenne sie von weitem schon an ihren Farben, den ungestümen Zeichnungen und beharre darauf, sie als Papierbuch zu kaufen. Weil ich das anfassen kann. Und umdrehen.

Ganz anders als in meiner Erinnerung sieht Mark Twains „Der geheimnisvolle Fremde“ mit den Illustrationen von Atak sinnlich und märchenhaft aus. Darin findet sich auch das erste Mal die verschwenderische Fülle der Landschaft, die mir an seinem neuen Buch „Der Garten“ so gefällt. Wo der Garten in dem Mark-Twain-Buch Andeutung oder Hintergrund bleibt, bekommt er nun endlich Platz und eine Hauptrolle.

Ich saß als Kind gerne im Garten meiner Urgroßmutter. Altmodische Blumen standen darin, großblütig und leuchtend. Von den meisten weiß ich die Namen nicht, gewiss waren Pfingstrosen, Mohn und Nelken darunter. Dunkelblaue Weintrauben wanden sich bis unter die Dachrinne der Laube. Ein Dickicht aus Himbeersträuchern. Klaräpfel und schwarze Kirschen. Zwar hat meine Urgroßmutter mit strenger Hand Beete und Wege angelegt, allein die Pflanzen hielten sich nicht daran. Immer sah der Garten aus, als wollte er über seine Ufer treten. Ich bin morgens darin verschwunden und erst mit der Abenddämmerung wieder aufgetaucht.

Genau so ist dieses Buch. Ein prachtvoller Garten, den ich staunend durchstreife, den Mund halb geöffnet. Sachte berühren meine Fingerkuppen eine geschlossene Blüte. Ich atme einen Sommermorgen ein. Ich wandere einen schmalen Pfad entlang, Gestrüpp zu beiden Seiten, sammle Hasel- und Walnüssen in meine Jackentasche. Die Luft wird dünner und kühler. Und dann ist das Jahr zu Ende, denn Zeit vergeht. Die Christrose blüht, die Tanne trägt Schnee. Der Garten aber vergeht nicht. Er schläft nur in der Winterstille.

Mein aufmerksames Kind sieht mir beim Umblättern zu. Es betrachtet jede einzelne Blume auf dem Vorsatzpapier und entdeckt dort ein Eichhörnchen. Später zeigt mir das Kind eine Eule, einen Eichelhäher, ein Kaninchen und einen Buntspecht. Eine Schaukel, die quietscht. Ein fetter, grüner Frosch springt aus dem Teich. Eine Frau, die badet, wie das Kind glaubt. Eine Katze zum streicheln. Da, ein Baum, auf den man klettern kann! Es ist, als hätte er Buch umgedreht und die andere, die zweite, die laute Geschichte gefunden. Spätestens jetzt hätte ich ohne Blick auf den Umschlag gewusst: Das Buch hat Atak gemacht.

Atak: „Der Garten“ erschien 2013 im Kunstmann Verlag. Für alle, die den Sommer noch ein bißchen festhalten wollen. Und für ihre Kinder.

Meine Gartenwerkstatt.

Wenn Judith Drews Bücher illustriert, kaufe ich die. Ich kann gar nicht anders, und ich sehe auch nie vorher rein. Vorher rein sehen führt eigentlich nur dazu, dass ich mich ärgere. Nicht etwa über das Buch, sondern darüber, dass ich es nicht sofort haben kann. Weil es noch gar nicht erschienen ist. Weil die durchschnittlichen Buchhandlungen immer nur durchschnittliche Bücher im Sortiment haben. Weil der Buchladen, den ich mehr liebe als andere Buchläden, auf einem Umweg liegt, den ich in den nächsten drei Tagen nicht schaffe. Weil die Post eine lahme Ente ist. Weil der DHL-Mann einfach keine Lust hat, die eine Treppe hoch zu laufen.

Aus all diesen Gründen habe ich „Meine Gartenwerkstatt“ von Anke M.Leitzgen, Thekla Ehling und Judith Drews gerade erst bekommen, obwohl es schon seit ein paar Wochen in der Buchhandlung, die ich mehr liebe als alle anderen, erhältlich gewesen wäre.

Nicht jedes Buch, und sei es noch so gut, passt zu jedem Menschen. „Meine Gartenwerkstatt“ passt zunächst einmal zu all denen, die ein Faible für Buchgestaltung haben. Hans Baltzer hat ein luftiges, frisches Design gewagt, das kein bißchen Angst vor verspielten Elementen hat, genügend Weißraum lässt, auf dem sich die Augen ausruhen können und in dem sich Typografie, Fotos und Zeichnungen ganz zwanglos mischen und fließend ineinander übergehen. Das ist schwer und gelingt selten. „Meine Gartenwerkstatt“ ist eine Augenweide, ganz egal, ob man sich für Salat interessiert oder doch eher Raumschiffe gut findet.

Geschrieben ist es für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren. Auch den Eltern von Kindern zwischen 6 und 14 Jahren hilft es, wenn sie die Frage nach Kohl- oder Blaumeise beantworten sollen. Oder die, ob Pflanzen auch kopfrum wachsen können (auf Seite 58 steht´s. Jawohl!). Stadtgärtnern, die gerade mit dem Stadtgärtnern anfangen, wird eine Liste mit den wichtigsten Gartenwerkzeugen an die Hand gegeben und gezeigt, wie man einen Garten plant.

Das Buchkonzept ist eben so simpel wie einleuchtend. Es durchläuft die Jahreszeiten und zeigt, was man jeweils draußen im Garten machen kann. Es ist kein Gärtnerbuch, sondern ein Gartenbuch. Deshalb haben auch Raupen, Schnecken, Regenwürmer und Schmetterlinge darin Platz. Oder der Bau eines Iglus. Marmeladenrezepte. Und alle möglichen Beschäftigungen, die Menschen dazu bringen, sich mal ein Blatt gründlich anzusehen, das vom Baum herab vor ihre Füße fällt. Dabei ist es nie albern, nie belehrend und es kommen auch keine Kastanientiere darin vor. Es ist eine Begeisterungshilfe. Man sieht jederzeit cool aus, wenn man es liest und macht, was darin steht.

Die Fotos und Illustrationen sind prachtvoll. Wer es schafft, einen Komposthaufen so zu fotografieren, dass der nicht eklig wirkt sondern wie kunstvolles Arrangement, ist einfach gut im Beruf. Thekla Ehling ist genau das gelungen. Wer Nacktschnecken, Asseln und Hornmilben als nützliche Gartenmitarbeiter zeichnet, hat meinen allerhöchsten Respekt. Danke, Judith!

„Meine Gartenwerkstatt“ ist ein reiches und lebendiges Buch, das mich durch mein erstes Gartenjahr begleiten wird. Irgendwann ist es einfach Zeit für den ersten Wintersalat. Ich habe auch noch nie Zitronenmelissenlimonade gemacht, und Moosgraffiti oder Comicgärten auch nicht. Zeit wird´s!

Wicked Plants.

Das allerletzte, was mir zu Poison Ivy einfällt, ist eine Kletterpflanze. Der Schlafmohn wäre nichts ohne Sherlock Holmes. An den Schierling könnte sich niemand erinnern, wäre da nicht die Sache mit Sokrates gewesen. So oder so ähnlich sieht die Welt der giftigen Pflanzen auch für Amy Stewart aus. Sie hat mit „Wicked Plants – The Weed that killed Lincoln´s Mother & other botanical atrocities“ ein Botanikbuch geschrieben, das Pflanzen unter ganz anderen Gesichtspunkten zusammenfasst, als Botanikbücher das für gewöhnlich tun.

Tödlich, gefährlich, schmerzhaft, verboten, berauschend oder beleidigend für die Sinne sind die Kategorien, in die Amy Stewart ihre gesammelten Gewächse einsortiert. Damit die Botaniker auch auf ihre Kosten kommen, werden die jeweilige Pflanzenfamilie, gebräuchliche Bezeichnungen, Herkunft und typische Standorte genannt. Das wäre schrecklich langweilig, gäbe es dazu nicht unheimliche Geschichten. Und unheimlich großartige Radierungen. Amy Stewart erzählt über Pflanzen, als beschriebe sie Menschen aus der Nachbarschaft. Alte Bekannte kommen darin vor. Die tödliche Kartoffel zum Beispiel. Rhabarberblätter. Cashew-Nüsse. Aus denen stellt die Autorin ein tödliches Dinner zusammen. Welche nicht ganz ungiftigen Pflanzen in Absinth, Tequila und Zubrowka enthalten sind, ist im Kapitel „The Devil´s Bartender“ zu lesen. Außerdem stellt sie einen wirklich furchteinflößenden Blumenstrauß zusammen. Stewart hat die Mythen gesammelt, die sich um berühmte Giftpflanzen ranken. Sie geht ihnen nach und schaut mal, ob was dran ist. Was man dabei lernen kann? Die Alraune ist besser als ihr Ruf, aber nicht sehr. Ihr berühmtester Auftritt: Shakespeares Romeo und Julia. Traue keinem Nachtschattengewächs. Pfeilgifte sind eine interessante Alternative zu Schusswaffen. Alice im Wunderland hatte vermutlich eine Fliegenpilzvergiftung.

„Wicked Plants“ ist kein Pflanzenbestimmungsbuch. Technisch müsste man wohl von einem erzählerischen Sachbuch sprechen. Genau genommen sind es Kriminalgeschichten, in denen die Pflanzen der Mörder sind, und nicht etwa der Gärtner. Es ist dennoch weder Hexenkochbuch noch Anleitung zur Boshaftigkeit. Möglicher Weise betrachtet man aber seine nähere Umgebung nach dem Lesen anders als davor und verzichtet auf den Rittersporn im Garten, solange die Kinder noch klein sind.

Ich habe die englische Version gelesen, weil mir der Einband besser gefiel.
Das Buch gibt es aber auch auf deutsch: Amy Stewart, Gemeine Gewächse, EUR 11,99.