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Der Superschurke des Mittelalters.

Es gibt wohl gar kein Bild von Gilles de Rais, das ihn als das zeigt, was er neben reich, berühmt und waffengewandt noch war: Ein Superschurke.

Überliefert ist er als Ritter, als der ehrenwerte Marschall Rais, der sich „huch! Wie konnte das passieren?“ auf dem Scheiterhaufen wiederfindet. Da enden, wie jeder Mensch weiß, nur die Ketzer, und das ist von heute aus betrachtet ein anderes Wort für Personen mit Verstand.

Wegkreuze

Ich bin aus Brandenburg, wir haben auch Kreuze an den Landstraßen. Allerdings in einer völlig anderen Bedeutung. Die Vendee ist kreuzreich. So sehr, dass man sich nicht abends an der alten Eiche oder drüben auf dem Hügel, sondern eben am Kreuz bei der Hofeinfahrt, beim Kreuz an der Kreuzung oder beim Kreuz da drüben, weißte schon, verabreden könnte.

Beschäftigt haben mich die Kreuze, um die herum nichts als Landschaft ist. Da fliegt mal eine Krähe dran vorbei, ein Hase hoppelt dahinter entlang, ein Reh denkt: Huch, komischer Baum! Bloß drei Äste dran. Ich hatte bisher angenommen, Ikonen machen Menschen für Menschen. Die Kreuze, die nie jemand sieht, sind vielleicht wie das Fahnenhissen auf dem Mond. Das ist ja auch nur ein Bild für „Ich war zuerst hier!“

Machecoul

Warum Tiffauges und nicht Machecoul als Blaubarts Schloss gilt, habe ich zu fragen vergessen. Die Überreste des Schlosses von Machecoul stehen auf eine Art in der Landschaft herum, dass sie kaum mehr von der Landschaft zu unterscheiden sind. Der gräßliche Turm! Daran vorbei führt die Chaussee ortsauswärts.

Französischerer.

Ich fürchte, nicht Agnès Bihl, nicht die Pegeltrinkerei und nicht die doppelten Kreisverkehre sind das französischste an Frankreich. Auch nicht Freddie, der zu meiner außerordentlichen Begeisterung tatsächlich mal mit Baguette unterm Arm aus dem Bäckerladen lief (obwohl das nah dran war). Wenn ich sagen müsste, was Frankreich ist, würde ich behaupten: Peugot 208 und Orangina. Vernünftig. Sympathisch. Geradezu nüchtern. Aber komplett birnenförmiges Produktdesign. Klar könnte man Smart fahren und aus TetraPaks trinken, bloß eben nicht in Frankreich.

PS. Fred hat im übrigen Recht, Orangina schmeckt woanders nicht.

Alles über Jeanne

In Orléans pflastern sie buchstäblich den Boden mit Jeanne d’Arc. Es gibt sie als Reiterstandbild, als Platz, als Schokoladenladen. Zwölf Fenster der Kathedrale zeigen ihren Lebensweg, das Historische Museum sammelt Jeanne-d’Arc-Darstellungen aus allen Jahrhunderten, das Maison de Jeanne d’Arc präsentiert die Befreiung der Stadt Orléans durch die Jungfrau mit der Eingebung als Animationsfilm. Nie wird dabei ihr Waffengefährte Gilles de Rais erwähnt, während sie in seiner Lebensgeschichte stets als Hauptfigur auftritt.

PS. Frankreich gewinnt gegen Schweden und wir verpassen unseren Bus.

Die Stadt will uns nicht.

Die Loire hat Hochwasser, Fred hat Knie, das Jeanne d’Arc-Haus hat zu, und dann ist auch noch November. November, der beim Ausatmen dampft. Es sei denn, es regnet gerade. Fred und sein Knie sitzen fest installiert in einem Café. Das ist klug. Ich renne draußen rum und bekomme die Stadt nicht zu fassen. Ich weiß bloß: Sie gefällt mir nicht. In den kleinen Dörfern vorher gab es immer etwas, woran ich mich festhalten konnte. Wenn ich in Orléans in die Fenster blicke, den Leuten beim Leben zusehe, weiß ich, dass ich hier nicht existieren kann. Aus Verzweiflung haben wir zweimal überdurchschnittlich teuer gegessen. Nichts ist davon besser geworden.

Nantes – Orléans

Wir verlassen die Vendee und sitzen im Zug von Nantes nach Orléans. Die Loire entlang in der letzten hellen Stunde des Tages. Brücken und Schlösser, Schlösser und Brücken. Ich kann gar nicht soviel kucken wie großartiges Zeug am Fenster vorbeifliegt, Fred liest unterdessen unbeeindruckt sein Buch. „Ja, das ist hier so. Alle drei Kilometer hat sich jemand so’n Lustschloss gebaut.“

Die Wiesen am Fluss liegen sattgrün. Das Laub der meisten Bäume verfärbt sich gerade erst. Die Felder sind stoppelig und ungepflügt. Weiße Wolken auf graublauem Grund. Der Himmel hängt tief über dem Wasser, und nie weiß ich, welche Art Regen es gleich geben wird. Sie haben so viele davon. In den kleineren Orten brennen die Herbstfeuer.

Der Zug fährt gelegentlich durch kleine Tunnel oder über Brücken und pfeift dazu wie eine Spielzeuglok. Ich reise gerne so. Als wir in St. Pierre de Corps umsteigen, ist es schon ganz dunkel.

Hinkelstein

Gestern habe ich drei Dinge gesehen, deren Dimensionen mich überrascht haben: Den Atlantik. Einen französischen Supermarkt. Einen Hinkelstein. Nichts gegen Wasser und Wein, aber der Hinkelstein hat mir sehr gefallen. Im Wald versteckt, Efeu drum, weit und breit kein Parkplatz, steht der einfach so da. Asterix und Obelix gelten damit als in ihrer Existenz bestätigt.

Das Schloss von Blaubart

Es müsste aussehen wie verfaulte Zähne, hatte ich mir vorgestellt. Abscheulich, schon von Weitem. Das ist natürlich Quatsch. Ein Haufen Steine, und viel Efeu drüber gewachsen. Eine stinknormale Ruine. Hätte Schloss von Rapunzel dran gestanden, wär’s sogar romantisch gewesen. Wir sind drum herum gelaufen: Es blieb ein Haufen Steine.

Weit draußen

Häuser, niedrig und nur eine Handvoll. Menschen gibt es wohl auch, der Traktor stand heute früh woanders als gestern abend. Gegenüber dem Haus, in dem wir wohnen, ist ein Kuhstall. Gänse habe ich gehört. Nachts rufen die Käuzchen einander, und eine tiefere Dunkelheit habe ich nirgends gesehen. Zwei große, furchtsame Wachhunde laufen frei herum. Gelegentlich finden wir überfahrene Salamander, schwarzgelb gefleckt, am Straßenrand.