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Stullis für den Igel, Himbeeren für alle!

Der Kronsohn will nach dem Igel sehen. Das Nest ist leer. „Der Igel ist schon aufgestanden“, sage ich. Aufgestanden kennt der der Kronsohn. „Igel ausgeschlafen!“, kräht er wohlgemut. „Igel Stulli essen!“ Dann reitet er auf seinem grünen Bobbycar davon. Ich sehe ihm nach und bewundere seine Umsicht.

Wenn der Igel Stullis will, müssen die Himbeeren aus dem Keller. Steht so oder so ähnlich in jedem Bauernkalender. Also alle raus. Willamette, Meeker, Schönemann, Glen Ample, Aroma Queen und Wildhimbeere. Es gilt, sechs Löcher auszuheben. Ich stelle fest, dass ich ausnehmend schlecht darin bin, Löcher in einer Fluchtlinie zu graben. Ich spanne eine Schnur. Der Kronsohn biegt um die Ecke und findet irgendwas doof. Ich fülle orange Brause aus der Flasche in das Kind. Ich kleckere. Oder er? Ach, bestimmt ich. Ich putze das Kind, schraube die Flasche zu und begradige die Löcherreihe. Das Kind miaut erneut. Mehr orange Brause. Ich schraube die Flasche zu. Sodann schaufle ich eine Lage Blumenerde in die Pflanzlöcher. Dabei ziehe ich mir des Kindes maßlosen Zorn zu. Ich habe seine kleine rote Schippe benutzt. Er will die nicht. Deswegen darf ich sie aber noch lange nicht haben. Wiederum fülle ich orange Brause in das Kind. Tränen und Flügelschlagen, weil ich die Flasche zuschraube. Wasser, denke ich angesichts des verheulten Kindergesichts. Ich brauche ja Wasser! Ich rufe den besten aller Hausmeister an. „Ja, nee – das Wasser im Garten wird erst nächsten Montag wieder angestellt.“ Treppe hoch, Treppe hoch, ins Badezimmer, den Wischeimer füllen. Unterwegs bemerke ich, dass der Wischeimer leckt. Die schwarzen Tapsen … naja: die sind nachher bestimmt auch noch da. Treppe runter, Treppe runter. Jetzt aber schnell!

Als die erste Staude mit dem Wurzelballen im Wasser steht, legt sich die Gelassenheit der Gärtner auf mein Gemüt. Das Kind wollte lieber drin und bei Papa bleiben, Stulli essen. Ich habe doch noch zwei Eimer gefunden, die heil waren, und wässere darin der Reihe nach die übrigen Stauden, bevor ich sie in die Pflanzlöcher setze. Erde drauf, angießen, Sandhände am Hosenbein abklopfen. Mein kleines Obstspalier. Projekt Nummer eins. Häkchen dran. So stolz bin ich darauf, dass ich schnell noch eine Reihe Zuckererbsen davor lege. Wegen der Mischkultur.

Bescheidener Quartiergast.

Wenn ich in Restaurants esse, freue ich mich über Servietten. Gerne dürfen es schwere Stoffservietten sein. Mit Stoffservietten essen ist wie Schreiben mit Füllfederhaltern. Niemand braucht das. Es ist aber schön. Ich rette vom Aussterben bedrohte Wörter und manchmal auch Kulturtechniken. Ich schreibe gelegentlich mit Füllfederhaltern. Ich falte meine Serviette auseinander, lege sie auf dem Oberschenkel ab und würde mir niemals den Mund daran abwischen. Ist die letzte Weintraube in flüssige Schokolade getunkt, wird die Serviette wieder zusammengefaltet und ordentlich neben den Teller gelegt. Wenn ich kleckere, dann auf jeden Fall neben die Serviette. Immer. Alles andere käme mir unanständig vor.

Ein Bruder in diesem Geiste ist der Igel, der in meinem Garten wohnt. Ich besitze einen großen Haufen aus Laub, abgeschnittenen Ästen, Zweigen, Wurzeln und was sonst so übrig bleibt, wenn der Garten aufgeräumt wird. Der Haufen ist so groß, dass mein Hausmeister zu Recht anmerkt, dass das wohl nicht mit einem Mal in die Tonne passt. Ich habe dem Igel erlaubt, dort einzuziehen. Igel, hab ich gesagt, siehst du diesen Haufen? Er ist groß. Er passt nicht in die Tonne. Es ist Winter. Wohne dort, Freund! Wir räumen das nicht weg, einstweilen. Erst im Sommer, falls es den noch gibt. Nächsten Herbst mach´ ich Dir einen neuen, herrlichen Laubhaufen. Pionierehrenwort!

Was tut der Kerl? Man ahnt es schon. Direkt neben dem Haufen hat er sich drei Blätter über ein Erdloch gelegt. Da schläft er drin. Was´n Typ, ey!