Schlagwort-Archive: Gute Nacht!

Gute Nacht, @klappstulli! (15)

Nach dem Aufstehen, vor dem Frühstück. Der Tag weiß noch nicht, wie er werden will. Die Sonne wärmt, aber die Gräser liegen von nächtlichem Regen an den Boden gedrückt. Ich beschließe, schwimmen zu gehen. Ich weiß auch noch nicht, wie ich heute werden will.

Das Wasser ist kälter als die Luft. Es macht die Füße taub und presst den Atem hart in die Rippen, bis das Brustbein schmerzt. Untertauchen. Ausatmen, den Nacken lang gestreckt, Wirbel für Wirbel.

Als ich den Waldweg hoch zum Haus laufe, halte ich mich viel aufrechter als sonst. Der Körper kribbelt. Die Wärme, die sich ausbreitet, kommt von innen. Ich bin wach. Am Fenster steht der Mann und winkt mir zu.

Gute Nacht, @klappstulli! (14)

Laternenlicht glänzt auf dem nassen Pflaster. Schweigsam und dunkel stehen die Häuser gegen den Wolkenhimmel. Ein Tier huscht über die Straße. Der Wind zerrt an den Baumkronen und greift nach meinem Schirm. Als der Regen stärker wird, kehre ich um. Ich gehe die schmale Stiege hoch und höre schon vertraute Stimmen hinter der Tür. Ich drehe den Schlüssel herum. Das Essen ist noch warm.

Gute Nacht, @klappstulli! (13)

Der blaue Briefkasten an der Straße. Rechts ein Feld, links ein Feld. Klatschmohn im Getreide, am Rand Mirabellenbäume, in den Senken Brombeergesträuch. Ein Sandweg voller Pfützen windet sich vom Briefkasten bis zum Hof. Einige Schlaglöcher sind mit Schotter gefüllt. Wer mich hier findet, hat wirklich nach mir gesucht. Alle meine Pfannen wären gußeisern, und keine davon klein.

Gute Nacht, @klappstulli! (12)

Die Hecke blüht wild und weiß. Ein Sperling landet darin. Noch einer. Sie halten kurz inne und stieben dann auf. Ein grau getigerter Kater verschwindet hinter der Bretterwand des Schuppens. Auf dem Misthaufen leuchten orangegelb die Ringelblumen. Ein Stapel Holz, eine Axt. Drüben, wo der Wald anfängt, steht ein Pony, das fast wie ein Esel aussieht. Die Schwalben fliegen wieder höher. Ihre Konturen verwischen in der Dämmerung.

Kriminalromanautorin. Auch ein guter Beruf!

Gute Nacht, @klappstulli! (11)

Ich bin aus Stein. Der Nacken, die Schultern ganz fest. Die Oberschenkel, die Waden und Knöchel schwer. Die Augenlider regungslos. Ich bin ein ganzer Steingarten. Runde Steine, spitze Steine, Feldspat und dazwischen Sand. Ich möchte mich nie mehr bewegen. In Wasser gelegt ginge ich unter. Wie ein Korallenriff ließe ich kleine, gestreifte Meerestiere um mich herum schwimmen und läge einfach nur da. Die Tintenfische winkten mir achtarmig zu, gelegtlich käme ein Seepferd vorbeigeritten. Ich könnte mit Muscheln kuscheln, mich über Flundern wundern oder mit Kugelfischen ’ne Brause zischen.

(Was man eben so denkt, wenn man nach gut fünfzig Kilometern Fahrradfahren eine Kartoffelpfanne mit Filetstücken, ein Radler, Eis, heiße Schokolade mit doppeltem Espresso und Käsekuchen verdaut, während man Spongebob kuckt.)

Gute Nacht, @klappstulli! (10)

Wir fahren die Dorfstraße entlang. An ihrem Ende, kurz vor dem Wald, ist ein Ferienlager. Das war da schon immer. Waldsiedlung heißt es jetzt. Eine große, hölzerne Baracke mit einem Essensaal darin. Kleinere Bungalows lugen zwischen den Bäumen hervor. In den Doppelstockbetten schlafen Kinder, die tagsüber durch den Wald stromern, im Dorfkonsum Brause, Kekse und Bonbons kaufen, im See baden. Die Feste feiern, bei denen man ins Wasser geworfen wird und etwas scharfes, ekliges trinken muss. Die von der Nachtwanderung zurück kommen, und so laut sind dabei, weil niemand merken soll, wie sehr sie sich gegruselt haben. Die wissen, dass man in der letzten Nacht die Reste aus den Zahnpastatuben unter die Türklinken schmiert. Ich hoffe jedenfalls, dass sie das wissen. Die am Rande einer Tanzveranstaltung hastig noch jemanden küssen, ineinander verschlungene Finger, draußen zwischen den Bäumen, den Mücken, den Kienäpfeln. Die am nächsten Tag mit angeknackstem Herzen heimfahren und bis zum letzten Sommertag auf Post warten.

Ferienlagerliebe. Wer davon bin ich, wer bist du?

Gute Nacht, @klappstulli! (9)

Über Nacht hat es sich abgekühlt. Nicht stark, aber ganz gleichmäßig klopft Regen auf die Blätter. Ein See mitten im Wald. Ich bin allein hier. Ich setze die Kapuze ab, ziehe die Jacke aus, die Jeans, die Schuhe. Der Bootssteg unter meinen Füßen ist nass.

Ich erinnere mich an den Sommer, in dem ich Schwimmen gelernt habe. Morgens um sieben im Freibad, zwei Wochen lang, bei jedem Wetter. Blaue Fliesen, kalte Duschen. Ich bin geschwommen, um weniger zu frieren. Ich bin geschwommen vor Wut. Ich bin geschwommen, um nie wieder dort hin zu müssen.

Ich stehe am Ufer. Der See hat die Wärme der letzten Tage bewahrt. Ich gehe rein, langsam. Regentropfen plitschen auf meine Schultern, in mein Gesicht, auf die dunkle Wasseroberfläche. Ich tauche ein. Die ersten Züge schwimme ich noch hart und eckig. Manchmal stößt mein Fuß nach oben. Mit jedem Meter werden die Bewegungen weicher. Ich atme ein und unter Wasser wieder aus. So gleichmäßig wie der Regen.

Gute Nacht, @klappstulli! (8)

Ein Dorf, das aus nur einer Straße besteht. Ich gehe gemächlich diese eine Straße entlang. Vorbei an einem Mann, der telefoniert. Die Abenddämmerung setzt ein. Weiter hinten höre ich Kinder Fußball spielen. Gelegentlich bellt ein Hund. Dann ein Summen. Ich kenne das von irgendwoher. Ein tiefer, warmer Ton. Ein honigschwerer Duft. Zwei blühende Linden. Alte, gewaltig große Bäume, und darin Bienen.

Gute Nacht, @klappstulli! (7)

Ich bin Begeisterung und wehende Röcke. Urlaub! Ich falte begeistert die ganze Wäsche weg, so klein, dass sie in Taschen passt. Ich wische Böden, beziehe Betten, trage den Müll runter und packe alle Zahnbürsten ein. Als allerletztes gehe ich zum Kühlschrank. Eine Tüte steht darin. Rollfilm. Fomapan 100, 20 Stück. Fomapan 400, 10 Stück. Kodak Portra 160, 5 Stück. Das sind 420 Fotos in der langsamsten Kamera, die ich habe. Das ist, was ich Urlaub nenne.

Gute Nacht, @klappstulli! (6)

Die dünnen, grünen Schoten sind über Nacht bauchig geworden. Ich reiße eine ab. Ihr Stiel zieht einen Faden an der Unterseite. Mit dem Daumennagel öffne ich die Hülse. Fünf unregelmäßige, hellgrüne Kugeln sind darin, fast noch durchsichtig. Ich lasse sie auf meinen Handteller gleiten. Die Hand strecke ich dem Kronsohn hin: „Kuck, das sind Erbsen! Willste probieren?“ Er nickt, sein Mund wird ein O. Das O ist ein bißchen feucht und nicht ganz sauber. Das O beugt sich über meine Hand und saugt die Erbsen ein. Ein klebriger Kinderkuss. Er kaut. „Mehr!“, verlangt er. Ich pflücke mehr Schoten ab. Wir setzen uns nebeneinander auf die Gartenbank. Ich puhle meinem Sohn Zuckererbsen aus, und er isst sie alle so wie die ersten. Der Vormittag ist mild. Ich habe das Gefühl, ich bin hundert Jahre alt. Oder ich werd´s, wenn ich jetzt einfach so hier sitzen bleibe.