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Herbst, vereinzelt Pilzwetter.

Der Kronsohn möchte noch immer lieber im Auto warten, wenn wir in die Pilze gehen. In diesem Jahr eine kluge Entscheidung, wir haben fast keine gefunden. Aber zwei von diesen sehr wenigen waren Steinpilze. Daraus lässt sich zweimal was machen. Erstens, Selfie mit Steinpilz. Zweitens, Gulasch mit Steinpilz. In dieser Reihenfolge.

  
Aber wenigstens war der Wald schön.

Pilzefinden.

Das kleine Kind findet Wald doof. Es findet Pilze suchen doof. Es kann Spazierengehen nicht leiden. „Ich warte lieber im Auto auf euch.“ Das lassen wir das Kind nicht. Findet es erst recht doof. Dafür freut es sich über einen Fliegenpilz. Weil: Den kennt es. „Mama, da ist ein Fliegenpilz!“ In den Wäldern aller seiner Kinderbücher wachsen Fliegenpilze. Bei Axel Scheffler manchmal auch Braunkappen, aber Pfifferlinge, Schirmpilze, Butterpilze – nirgends. Bücher voll mit Fliegenpilzen. Und dann steht da Gottseidank endlich ein einziger Fliegenpilz im Wald, und das Kind freut sich, weil es seinen Namen sagen kann. Fliegenpilz. Das ist doch was anderes als diese blöden „Baronen“, von denen die Eltern immer erzählen. Wenn’s die wirklich gäbe, wären die ja wohl auch in einem Buch drin.

Pilze

„Hier sieht’s gut aus, meinste nicht?“
„Hm. Nicht so richtig pilzig hier. Die Bäume sind nicht richtig. Außerdem riecht es gar nicht nach Pilzen.“
Schweigen. Drei Kilometer weiter.
„Und hier?“
„Weiß nicht…“
Weiterfahrt. Noch ein kleines Dorf. Das erste Haus ist knallorange angepinselt, das letzte in einem schreienden Blau gehalten. Auch ein Rahmen, denke ich.
Wieder Wald. Halb in einer Baumlücke verborgen steht ein Auto. Berliner Kennzeichen. Die sind also auch auf der Jagd. Da sind doch auch Leute daneben, mit Körbchen.
„Kannste was sehen? Ist in den Körben was drin?“
„Nee, die sind leer.“
Gehen die gerade los oder kommen die erfolglos zurück? Aussteigen und fragen? Ach was, die würden schön dumm gucken, wenn wir sie jetzt anquatschen würden.
„Ist bestimmt noch zu früh für Pilze. Das bisschen Regen vor ein paar Tagen reicht doch nicht. Oktober wäre besser.“
„Ja, aber heute ging es eben. Wenn dann erst wieder Oktober ist; wer weiß ob wir es dann schaffen.“
Eine breite Schneise zieht sich quer durch den Wald, in der Mitte Hochspannungsmasten. Die Straße ist rau. Seit wir vor einer Viertelstunde von der Hauptroute abgebogen sind, ist fast kein Verkehr mehr zu sehen.
„Aber hier! Hier sieht’s gut aus“. Ich schreie fast. Schweigen auf der anderen Seite. Egal, sage ich mir, hier sieht es gut aus. Hier muss es was geben. Rechts ran.
„Nein, nicht die Gummistiefel. Ist doch trocken.“
Körbchen, Messer. Alles da. Rein ins Gesträuch.
Erste Enttäuschung. Ich will schon nach zehn Schritten wieder umdrehen. Der ganze Boden voller Blaubeerenbüsche. Das gab‘s ja noch nie, dass man zwischen Blaubeeren gute Pilze findet.
Ich gehe weiter. Da liegt ein Joghurtbecher, ziemlich frisch. Ich frage mich zum hundertsten Mal, was für Menschen hier mitten im Wald ihren Müll wegwerfen.
Weiter.
Da! Ist das ein Blatt? Ein Stück Kiefernrinde? Nein, da steht ein Pilz. Wunderschön, eine feste dunkelbraune Kappe. Nur ein Grashalm liegt quer oben drauf. Ich will Hurra! schreien, verkneife es mir aber lieber.
Vorsichtig jetzt. Wo einer ist, sind auch andere. Man könnte drauftreten. Also, langsam anschleichen. Drauf achten, wo man hinsteigt.
Jetzt erbeute ich das gute Stück. Der erste Blick unten drunter. Schön gelb-grün und fest. Nun stehe ich breitbeinig über dem Fundort wie einst der Koloss von Rhodos über der Hafeneinfahrt. Während ich den Pilz putze lasse ich meinen Blick rundum schweifen. Wo haben sich die anderen Biester versteckt? Da ist einer und noch einer. Ich fühle mich wie ein Kind beim Ostereiersuchen.
Später am Abend liegen wir rund und satt auf der Couch. Es geht uns gut.