Nachtluft und so dunkel, wie es hier werden kann. Das ist nicht sehr dunkel. Grau, wo schwarz sein müsste. Mein Fenster steht offen. Die Stadt vor dem Fenster hat keine Sterne, dafür aber immer Geräusche. Daran kann ich mich halten. Die S-Bahn klingt weit entfernt, sie ist nur jetzt zu hören. Die Autos fahren vorne an der großen Straße schneller als in den drei kleinen, die unsere Häuserzeile umschließen. Ein Blaulichtwagen. Das Krankenhaus heißt Maria Heimsuchung, und ich werde mich nie daran gewöhnen. Die U-Bahn rattert quietschend in die Tiefe. Ein Auto im ersten Gang. Parkplatz. Motor aus, Türschlag, metallisch. Grundrauschen. Der spitze Ton eines Motorrades schraubt sich daraus empor und verschwindet. Grüne Ampel, vermutlich. Ob das, was so pfeift, die Tram ist? Mehr Autos. Ich höre Schlaglöcher, ich höre die unebene Fahrbahn. Mopedgeschnurr. Träge. Und wieder Rauschen. Keine Zikaden, keine Nachtvögel. Bremsen, drüben an der Tankstelle. Kurz nur, nicht dramatisch. Ich hör‘ noch eine Weile zu. Dann schlafe ich ein.
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Gute Nacht, @klappstulli! (24)
Geschirrklappern. Abendessen im Hof. Butterstullen, Suppe. Wir teilen gerecht und essen alles auf. Satt und faul sehen wir zu, wie die Sonne untergeht. Die leeren Schüsseln tragen wir die Treppe hoch, streifen unsere Schuhe ab und schlafen fast sofort ein.
Gute Nacht, @klappstulli! (23)
Irgendwann, da war ich sicher, wärest du wieder da. Ich hab deine Post rausgenommen, deine Blumen gegossen und überlegt, wie dein Balkon aussieht, wenn Menschen darauf sitzen. Zum Beispiel du. Zum Beispiel ich. Weniger lieblos vielleicht.
Du hast angerufen. Du bist wieder in der Stadt, wolltest du wahrscheinlich sagen. Ich bin nicht ans Telefon gegangen. Ich stell’s immer stumm, ich telefoniere so ungern. Beinahe hätten wir uns verpasst.
Abend saßen wir zusammen im Hof. Ich hab deine Selbstgedrehten geraucht, und es kam mir vor, als wärst du nie weg gewesen.

Gute Nacht, @klappstulli ! (22)
„Nicht hell ist. Nicht dunkel.“ Mein Kind beschreibt eine Sommernacht. Niemand kann schlafen in Sommernächten. Kinder auch nicht. Wir hören Musik. „Mama meine Mama!“, sagt er. Und noch, dass er mein Kind ist. Sein Kopf liegt auf meinem Arm. Dann schläft er ein. Aber da ist es auch schon dunkel.

Gute Nacht, @klappstulli! (21)
Es gibt keine Geschichte zu dieser Tür. Ich bin nicht durchgegangen. Jeden Tag wollte ich fragen. „Entschuldigung, dieser Garten, den Sie da haben – darf ich den von Nahem sehen?“ Alles darin ist so groß und schön und stark. Ich weiß nicht, was das für Leute sind, die solche Gärten haben.
Gute Nacht, @klappstulli! (20)
Eine Zwiebel zerschneiden, drauf legen, danach mit Eis kühlen. Ich habe das nicht vergessen. Ich mag, wenn meine Hände wissen, was zu tun ist. Routine verhindert Panik. Das Kind weint nicht. Es sitzt auf dem Boden, hält die Zwiebel fest, presst sie auf den Fuß. Routine ist gut. Die Schwellung geht zurück. Der Schmerz ist zur Hälfte schon vergessen. Das Eis betäubt. Übrig bleibt ein roter Fleck, der stolz vorgezeigt wird: Kuck, ein Wespenstich.

Gute Nacht, @klappstulli! (19)
Kleiner Garten, du und ich, wir sind ein bißchen verwildert, in den letzten zwei Wochen. Der Wein rankt frohgemut in den Apfelbaum, der Fenchel schießt in den Himmel, der Borretsch blüht an samtigen Stielen. Die glänzenden Blätter gehören dem Mangold, Kapuzinerkresse wuchert in gelb und orange, hier und da leuchtet eine Himbeere. Dazwischen Unkraut, und die Ränder der Beete sind kaum mehr auszumachen.
Ich habe unterdessen ein nettes Haubentaucherpärchen kennen gelernt, meine Haare sehen fast aus wie das, worin sie mit ihren Kindern wohnen. Flechtwerk. Wahrscheinlich hatten sie deshalb irgendwann keine Angst mehr vor mir. Ich habe mein Zeitgefühl komplett verloren und mich genau wie du, kleiner Garten, einfach nach der Sonne gerichtet.
Aber ab morgen muss wieder Ordnung sein. Ich geh jetzt duschen und dann in ein duftiges, glattes Bett. Mein eigenes. Und morgen, mein Freund, kümmern wir uns um einen Haarschnitt für dich und für mich und waschen die ganze Wäsche.

Gute Nacht, @klappstulli! (18)
Schnell noch einen Stein einstecken, schnell noch die Lungen mit Salzluft füllen. Einmal noch umdrehen. Der Sucher ist ein blassblaues Viereck. Muss reichen, für lange. Nach Hause durch schlafende Dörfer. Gelegentlich sehe ich eine Kirchturmspitze. Aber fast überall ist es, wie es sein sollte: Die Bäume sind höher als die Häuser. Immer weiter die Landstraße entlang. Don’t ask for more.
Gute Nacht, @klappstulli! (17)
Ich bin durchschnittlich groß. Ich passe durch alle Türrahmen und in Flugzeugsitze der economy class. Alle IKEA-Möbel haben genau die richtigen Abmessungen für mich. Das Schrittmaß stehender Rolltreppen ist just soviel zu hoch, dass ich es als unbequem empfinde, aber ohne Mühe bewältigen kann. Ich bin so Standard, man könnte eine DIN-Norm nach mir nennen. Es ist ein unauffälliges Leben in der Menge.
Ich wandere im Schatten hoher Kiefern. Weit oben trifft Sonnenlicht auf ihre Kronen. Der Waldboden verschluckt das Geräusch meiner Schritte. Am Wegrand stehen Farn und Schachtelhalm, Urzeitgestrüpp. Die Ameisen kommen mir so groß vor. Ich rudere über einen See, dessen Ende nicht abzusehen ist. Ich blicke hinter mich. Der See hat auch keinen Anfang. Der Wind treibt mich hinaus in die Mitte. Wir kämpfen ein bißchen, und für heute lässt er mich ans Ufer zurück.
Später, ich bin längst schon wieder zuhause, zieht ein Gewitter auf. Ich stehe am Fenster. Klein, ruhig und zufrieden.

Gute Nacht, @klappstulli! (16)
Der Dorfkonsum sieht aus wie eine Tankstelle. Flach und gerade. Eine sehr zweckmäßige Einrichtung. Was braucht, wer hier lebt? Mausefallen, Grillkohle, Gelierzucker, Haferflocken, Perlgraupen, Nudeln, Zucker, Mehl. Mischgemüse in Konservendosen. Kohl und Kartoffeln. Die Kartoffeln sind sorgfältig abgedeckt. Brot, hell und dunkel, das aber frisch sein muss. Eine einzige Verkäuferin arbeitet in dem Laden. Ihre Schürze ist so lang wie ein kurzes Kleid. Für die, die nur durchfahren, hat sie belegte Brötchen, Wiener und Filterkaffee. Vorne, so dass sie das Regal stets im Blick hat, stehen Pfefferminzlikör, ein paar süße Weine, Kräuterschnäpse. Das Schaufenster ist mit bunten Heftchen geradezu vollgestopft, an einem Pfeiler hängt ein Ständer mit Postkarten aus der Gegend. Die Verkäuferin trägt die pragmatische Frisur einer Frau, die nicht jeden Freitag zum Friseur geht. Blond gesträhnt, etwas wellig. Ihre Brille ist eckig, ihre Nägel sind kurz und unlackiert. Sie wird um die fünfzig sein. Freundlich, aber zurückhaltend. Es ist ein angenehmes Einkaufen bei ihr. Ich bin sicher, dass ich alle Dinge, die sie nicht hat, im Grunde nicht brauche.